Dosenkiwi

[fast ohne Spoiler]

Zentralfriedhof

Frontalansicht der Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus, im Vordergrund die Präsidentengruft, die weiße Kirche mit der grünlichen Kuppel hebt sich im Abendlicht deutlich vom leicht bewölkten Himmel ab

Am Zentralfriedhof hatte ich 2014 meinen 1.000 Cache-Fund gefeiert (unglaublich, dass es dieses Blog schon so lange gibt …), laut meinen Aufzeichnungen war ich 2015 das letzte Mal dort. Seit damals hatten sich einerseits einige gelöste Mysteries auf dem Zentralfriedhof-Gelände angesammelt und natürlich sind auch viele Caches von damals archiviert worden und dafür neue hinzugekommen. Dann stellte sich noch heraus, dass der Fotograf noch nie am Zentralfriedhof gewesen war, da gab es dann bei mir kein Halten mehr.

drei Bilder von besonderen Grabmalen, ausführliche Bildbeschreibung im nächsten Absatz

Wir starteten an diesem Samstag am 4. Tor, nur um dort festzustellen, dass der neue jüdische Friedhof an Samstagen geschlossen ist. Meine primären Ziele waren die gelösten Mystery Caches Der Zentralfriedhof in der Literatur, Lost traffic – Die Leichentram: Da 71ga und Vor Rehen wird gewarnt. Auf dem Weg schwenkten wir für zwei Kurz-Multis und einen wirklich sehr liebevoll gestalteten Traditional ab. Kurz vor der Schließzeit des Friedhofs landeten wir vor der Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus, recherchierten Details über die Präsidentengruft und besuchten die Gräber einiger bekannter Personen in der Abteilung, die gleich links vor der Kirche liegt. Das Grab von Manfred Deix ist mit einer gekrönten Katzenfigur geschmückt, sein Name ist in seiner bekannten Signatur mit der Krone als i-Punkt auf dem Grabstein zu lesen. Interessant ist auch das Grab von Hedy Lamarr, darauf befindet sich eine Metall-Skulptur mit senkrecht stehenden dünnen Rohren, auf denen in verschiedenen Abständen Kreise befestigt sind. Die Skulptur stellt das Frequenzsprungverfahren dar, das von ihr gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil im zweiten Weltkrieg als Funkfernsteuerung für Torpedos erfunden wurde. Die Technologie wird heute unter anderem in der Bluetooth-Datenübertragung verwendet. Monumental ist das Grabmal von Udo Jürgens: ein mit einem weißen Leichentuch abgedeckter Konzertflügel aus Marmor, ein riesiger weißer Steinblock, der erst auf den zweiten Blick als Klavier erkennbar ist.

Mausoleum mit sechs-eckigem Grundriss, die Türen sind kunstvoll vergittert und mit verspielten Ziergiebeln versehen, Herbstsonne

An diesem Tag schafften wir es nicht bis zum alten jüdischen Friedhof, wo sich das Final von Vor Rehen wird gewarnt befindet. Daher startete ich zwei Wochen später einen zweiten Anlauf, den ich beim Tor 1 begann. Nach diesem Mystery-Final beschäftigte ich mich mit dem Multi Stille Zeugen dunkler Zeiten, der zurecht eine dreistellige Anzahl an Favoritenpunkten aufweist.

altes Grab, die Steine sind von Pflanzen überwachsen und teilweise beschädigt, noch zu erkennen ist ein Portal mit der Inschrift Puerta de Paz

In diesem alten Teil des Friedhofs sind deutlich die Zeichen der Zeit zu erkennen. Der Multi Stille Zeugen dunkler Zeiten geht jedoch noch weiter und zeigt im Detail Grabsteine und Denkmäler mit Einschusslöchern, von Bombenabwürfen beschädigte Gräber oder Grabmäler für Menschen, die im Zuge des Holocaust deportiert wurden.

Grabmal einer Familie Bernhard Witrofsky, vom Grabstein aus schwarzem Marmor fehlt links ein Stück, das vermutlich herausgesprengt wurde rostiges Metallschild mit abblätterndem weißen Lack, Text „Gruppe 12“, in dem Schild sind mehrere Einschusslöcher zu sehen

Weiter treiben ließ ich mich mit mehreren Adventure Labs, die ebenfalls auf interessante Teile des Friedhofs hinwiesen, die ich vorher noch nicht besucht bzw. bemerkt hatte. Etwa die Gedenkstätte der Israelitischen Kultusgemeinde für die Gefallenen des ersten Weltkriegs.

vergoldete Inschrift auf dem inneren Dach eines Zugangs zu einer Gedenkstätte mit dem Text „Die Israelitische Kultusgemeinde Wien – Ihren im Weltkriege 1914–1918 gefallenen Söhnen“ Blick durch den Zugang einer Gedenkstätte der Israelitischen Kultusgemeinde für die gefallenen des ersten Weltkriegs, links und rechts an der Wand weiße Steinfafeln, links mit hebräischen Schriftzeichen, rechts mit der deutschen Übersetzung, innerhalb der Gedenkstätte sind weitere große Steintafeln zu sehen, der Boden ist mit Herbstlaub bedeckt

Auch der 2005 eingerichtete Buddhistische Friedhof war mir neu. Die Anlage beinhaltet einen zentralen Stupa (DER Stupa!, ich dachte bisher immer es hieße DIE Stupa) umringt von einem Rad mit acht Speichen, das ein Rad der Lehre darstellen soll. Die acht Zugänge zum Stupa symbolisieren den achtfachen Pfad des buddhistischen Glaubens.

buddhistischer Friedhof Wien, im Hintergrund ein Stupa um ringt von Steinen auf dem Boden in Form eines Rades mit acht Speichen, im Vordergrund etwas unscharf eine Schnur mit Gebetsfahnen und einer grünen Glühbirne

Einen Besuch am Zentralfriedhof kann ich mit großem Nachdruck empfehlen. Es sei außerdem gesagt, dass ein Besuch nicht ausreichen wird, schon allein wegen der Größe des Geländes. Wer sich schneller fortbewegen will, darf auf dem Zentralfriedhof Fahrrad fahren, es gibt auch die Möglichkeit sich e-Bikes auszuleihen. Mir selbst ist jedoch die Erkundung zu Fuß am liebsten. Da bleibt mehr Zeit, um Details zu bemerken und die Atmosphäre dieses besonderen Ortes zu genießen.

Blick auf die Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus durch die Allee, links und rechts Bäume und Gräber an den Seiten, die weiße Kirche mit der grünlichen Kuppel hebt sich im Abendlicht deutlich vom leicht bewölkten Himmel ab