Wir hatten also beschlossen, einen Tagesausflug nach Gibraltar zu unternehmen und standen relativ früh am morgen am Busbahnhof von Algeciras. Der Bus war nicht schwer zu finden, mit einer Frage an eine ebenfalls wartende Señora versicherten wir uns, dass das der Bus nach Línea de la Concepción (die spanische Grenzstadt, von der aus der Grenzübergang nach Gibraltar erreicht werden kann) wäre und dass wir die Tickets beim Fahrpersonal im Bus kaufen könnten. Nach etwa 45 Minuten erreichten wir die Endstation und orientierten uns Richtung Grenzübergang. Da wir beide nicht vollständig sicher waren, ob unser Roaming-Vertrag auch für Gibraltar gilt, schalteten wir erstmal alle Daten aus, um auf die informierende SMS zu warten. Unsere beiden Verträge erlaubten uns schließlich das Roaming in Gibraltar zu den gewohnten Konditionen. Zu Fuß passierten wir den Grenzübergang. Direkt dahinter befindet sich der Flughafen von Gibraltar, er verläuft quer zum Felsen. Um die Stadt und den Felsen zu erreichen, muss das Rollfeld überquert werden. Als wir es gerade auf die andere Seite geschafft hatten, sprang die Ampel auf Rot. Leider war es nur ein Feuerwehrauto, für das der Verkehr kurzfristig gesperrt wurde.
Anschließend spazierten wir in die Stadt, wo sich Geschäft an Geschäft drängt. Offenbar fahren auch viele Spanier:innen zum Einkaufen nach Gibraltar. Schon vor der Anreise hatte sich der Fotograf über die Währung informiert: Gibraltar leistet sich eine eigene Währung für seine knapp 35.000 Einwohner:innen: das Gibraltar-Pfund. Geld wechseln wollten wir uns ersparen, das war aber auch nicht notwendig, es kann praktisch überall mit Karte bezahlt werden. Auf unserem Spaziergang Richtung Seilbahnstation sprachen uns unzählige Taxifahrer:innen an, die Touren auf den Felsen anbieten. Die Fahrt mit dem Taxi auf den Berg mag komfortabler sein, oben angekommen waren wir aber sehr schnell froh, dass wir die Angebote ausgeschlagen hatten.
Aus der Seilbahn konnten wir erstmals einen Blick auf Afrika auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar werfen. Dort befindet sich die spanische Enklave Ceuta, die mit ca. 85.000 Einwohner:innen deutlich mehr Bevölkerung hat als Gibraltar. Meine Aufregung beim ersten Blick auf die afrikanische Küste blieb auch den Mitfahrenden in der Kabine nicht verborgen, über die Sicht nach Afrika hatten offenbar nicht alle so viel nachgedacht wie ich. Die Fahrt mit der Seilbahn dauert nur wenige Minuten, die Aussicht ist spektakulär. Wir haben an der Bodenstation ein Cable Car Return Ticket inkl. Eintritt zum Nature Reserve auf dem Felsen gekauft. Wartezeit quasi null.
Oben angekommen wies uns das Kabinenpersonal der Seilbahn nochmal deutlichst darauf hin, dass wir keinesfalls die Affen füttern sollen und empfohlen uns, unsere Rucksäcke vorne am Körper zu tragen, da die Affen sehr geschickte Diebe wären. Hungrig stürzten wir uns auf die Aussicht und den ersten Geocache „Top of the Rock“, der sich direkt an der Bergstation der Seilbahn befindet. Die Stars des Felsen sind natürlich die Berberaffen, die in dem Naturreservat mehr oder weniger wild leben. In der Nähe des Eingangs zum Naturreservat befindet sich eine Futterstelle, wo wir die ersten Affen sehen konnten. Dort hielten sich leider auch die Taxis auf, die wir verschmäht hatten. Die Besucher:innen werden von den Taxis zu bestimmten Punkten gefahren, wo sie dann die obligatorischen Affenfotos machen können. Damit die Affen sich das auch gefallen lassen, füttern die Taxifahrer (ich habe keine Frauen gesehen) sie mit Keksen (ja, das haben wir selbst gesehen).
Zum Glück ist der Großteil des Naturreservats für Autos nicht zugänglich, wir entfernten uns also zügig aus dieser Gegend. Unter den weiterhin dunkelgrauen Wolken spazierten wir den Berg hinauf und gelangten bald zum Skywalk, einer Aussichtsplattform, die Perspektiven auf beide Seiten der Halbinsel ermöglicht. Dort blies uns der Wind noch mehr um die Ohren als bisher schon, daher blieben wir nur kurz und traten danach den Pfad an, an dem wir laut dem Earth Cache „Shatter cones in the Rock of Gibraltar“, nach den titelgebenden Shatter Cones Ausschau halten sollten. Der Begriff Shatter Cones (deutsch: Strahlenkegel oder auch Druckkegel) bezeichnet eine oft konisch geformte Bruchfläche im Gestein. An der Oberfläche sind sie zu erkennen an einer strahlenförmigen Ausprägung, die von einer Spitze ausgeht. Zumeist sind sie aufgrund von Gesteinsinhomogenitäten nicht vollständig rund. Sie können konvex (nach außen) oder konkav (nach innen) zur Gesteinsoberfläche geformt sein. Sie entstehen durch Schockwellen, die Festgestein strukturell verformen. Die genaue Entstehung ist nicht vollständig geklärt, es wird jedoch angenommen, dass sie durch Einschläge von großen Meteoriten entstanden sind. Der GPS-Empfang auf dem angegebenen Pfad war leider sehr wackelig, so war ich mir am Ende nicht ganz sicher, wie viele Shatter Cones ich im angegebenen Gebiet gefunden hatte, es waren jedoch einige. Oft siedelten sich in der Mitte (der Spitze, von der die Strahlen ausgehen) sowie in den Spalten Pflanzen an.
Wir kletterten weiter den Felsen hinauf, bis wir schließlich den an dieser Stelle höchstmöglichen Punkt erreicht hatten. Hier waren wir dann schon ziemlich allein, obwohl eine Bergstraße fast bis zu diesem Gipfel führt. Auch einige hartnäckige Mountain Biker versuchten, den Berg zu bezwingen. In der Nähe des Gipfels hatten wir schon lange keine Affen mehr gesehen und erlaubten uns mit dem Rücken zum Zaun eine Jause. Auf dem Abstieg kamen wir dann an einer weiteren Attraktion des Felsens vorbei: St. Michaels Cave. Laut Wikipedia ist sie die meistbesuchte von etwa 150 (!) Höhlen auf dem Felsen von Gibraltar. Entstanden ist die Höhle durch die Einwirkung von Regenwasser auf den Kalkstein (engl. limestone). Höhlenmalereien und andere Fundstücke legen nahe, dass die Höhle bereits um etwa 40.000 Jahre vor Christus von Menschen entdeckt worden sein könnte. Später wurde die Höhle zu militärischen Zwecken genutzt. Heute ist die Höhle für Tourist:innen im Rahmen des Nature-Reserve-Tickets zugänglich. Sie beherbergt auch ein Auditorium mit einer Bühne und 100 Plätzen. Für die touristischen Besucher:innen wird dort konstant eine vier-minütige Lichtshow mit Musik gezeigt, die die Entstehung des Felsens und der Höhlen über die Jahrhunderte nachzeichnet. Ein Highlight ist auch die namensgebende Felsformation, die als (Erz-)Engel (Michael) mit ausgebreiteten Flügeln interpretiert und dementsprechend beleuchtet wird.
Nach dem Höhlenbesuch konnten wir noch eine Affenfamilie mit mehreren Jungaffen beobachten. Sie spielten und lausten sich gegenseitig, turnten auf dem Geländer und der darunter abfallenden Felsmauer herum. Ein kleiner Affe wurde sogar auf dem Rücken getragen. Weiter den Berg runter besuchten wir auch noch die Windsor Suspension Bridge, ein weiteres Highlight des Naturreservats (und mit einem kreativen Virtual Cache ausgestattet). Ganz wohl war mir nicht beim Überqueren der Brücke, aber wenn’s für einen Geocache ist, dann nehme ich so manche Hürde in Kauf ;-) Wir mussten nur kurz warten, um die Brücke ganz für uns alleine zu haben. Die Brücke spannt sich über eine Art Bucht im Felsen und kann auch umgangen werden. Von dort aus gesehen fertigte ich auch das Panoramafoto (siehe unten) an.
Noch ein Stück weiter bergab stießen wir auf die Mittelstation der Seilbahn, von der wir dachten, dass sie im Winter nicht in Betrieb wäre. Wir sahen jedoch wartende Menschen, die dann auch von einer abwärts fahrenden Gondel aufgenommen wurden. Nach kurzer Beratschlagung entschlossen wir uns, auch unser Glück zu versuchen und durften uns tatsächlich in die nächste abwärts fahrende Gondel reinquetschen.
Mich hatte hauptsächlich der Hunger in die Seilbahn getrieben, unsere Jause hatte bei Weitem nicht ausgereicht für einen ganzen Tag auf einem Felsen herumlaufen. Unbedingt wollte ich noch vor der Busfahrt zurück etwas zu essen finden und wir entschlossen uns schließlich für ein Fast-Food-Lokal. Auch diese Burger waren nicht billig im Vergleich zu Festlandpreisen, aber immerhin wurden wir schnell satt und erreichten auch problemlos den Bus, mit dem wir zurück nach Algeciras tuckerten. Während der Busfahrt wurde es zunehmend dunkler, die Bucht versank im Dunkeln während die beiden Städte Gibraltar und Algeciras Minute für Minute heller erstrahlten.
Wir haben den Tagesausflug nach Gibraltar sehr genossen. Es gäbe noch wesentlich mehr zu sehen, als an einem Tag möglich ist. Wenn ihr dorthin fahrt, lasst die Taxis stehen und gönnt auch die Seilbahnfahrt auf den Berg. Im Sommer ist für den Besuch des Felsens definitiv Sonnenschutz empfehlenswert, es gibt kaum Schattenbereiche. Eine Einkehrmöglichkeit gibt es neben der St. Michael’s Cave, mitgebrachte Jause kann nur in ausreichender Entfernung von Affen gegessen werden (was in unserem Fall kein Problem war). Der Ausflug war ein Highlight unseres Winterurlaubs 2022/2023.